Compliance in der Anwaltskanzlei: Von der lästigen Pflicht zur effizienten Routine
- max weiss
- 15. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Die regulatorischen Anforderungen an Anwaltskanzleien, insbesondere zur Verhinderung von Geldwäsche (GW) und Terrorismusfinanzierung (TF), haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Was früher als Randthema galt, ist heute eine zentrale Verpflichtung, die tief in die Kanzleiabläufe eingreift. Für viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stellt dies eine erhebliche Belastung dar, die wertvolle Zeit kostet und vom eigentlichen Kerngeschäft ablenkt. Doch die Einhaltung dieser Vorschriften ist nicht nur eine gesetzliche Notwendigkeit, sondern bei richtiger Organisation auch eine Chance, die eigenen Prozesse zu professionalisieren und die Kanzlei zukunftssicher aufzustellen. In unserer Beratungspraxis sehen wir täglich, wie Kanzleien mit diesen Herausforderungen ringen, aber auch, wie sie durch strukturierte und digital gestützte Abläufe die Compliance-Last in eine beherrschbare Routine verwandeln.
Die zwei Säulen der Compliance-Pflichten
Um die Anforderungen effizient zu organisieren, muss man zunächst ihren Kern verstehen. Die Verpflichtungen für Anwälte, wie sie etwa im Leitfaden des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) dargelegt sind, ruhen auf zwei grundlegenden Säulen:
Kanzlei-bezogene Compliance: Jede einzelne Kanzlei, unabhängig von ihrer Größe oder Fachausrichtung, ist gesetzlich verpflichtet, eine individuelle, schriftliche Risikoanalyse zu erstellen. Diese Analyse ist das Fundament aller weiteren Maßnahmen. Sie muss die spezifischen Risiken der Kanzlei in Bezug auf Klientenstruktur, geografische Bezüge, angebotene Dienstleistungen und Transaktionsarten bewerten. Ein pauschales Musterdokument reicht hier nicht aus; der Prozess muss die individuellen Gegebenheiten der Kanzlei widerspiegeln.
Mandats-bezogene Compliance: Bei bestimmten, als "geldwäschegeneigt" eingestuften Geschäften greifen verschärfte Sorgfaltspflichten. Dazu gehören laut Rechtsanwaltsordnung (RAO) vor allem Finanz- oder Immobilientransaktionen, die Verwaltung von Vermögenswerten oder die Gründung und Verwaltung von Gesellschaften und Trusts. Hier wird der bekannte "Know Your Customer" (KYC)-Prozess zur Pflicht: die Identifizierung des Mandanten und vor allem des wirtschaftlichen Eigentümers.
Das Problem: Manuelle Prozesse sind ineffizient und fehleranfällig
In der Praxis sehen wir, dass diese Pflichten manuell und unstrukturiert abgearbeitet werden. Musterfragebögen werden an den Mandanten geschickt, die ausgefüllten Dokumente werden wieder gescannt und mit Ausweiskopien unstrukturiert im Akt abgelegt. Die eigentliche Risikobewertung erfolgt bestenfalls intuitiv. Dieser Ansatz ist nicht nur zeitaufwendig, sondern birgt auch erhebliche Risiken. Es fehlt ein nachvollziehbarer, dokumentierter Prozess, der im Falle einer Überprüfung durch die Rechtsanwaltskammer standhält. Es ist schwer nachzuverfolgen, ob alle notwendigen Unterlagen vollständig retourniert wurden, und die Informationen sind nicht zentral verfügbar.
Die Lösung: Ein digitaler und strukturierter Compliance-Workflow
Ein effizientes Compliance-System delegiert Routineaufgaben an die Technik und stellt sicher, dass kein Schritt vergessen wird. Ein solcher Prozess lässt sich in vier logische Schritte gliedern:
Erstens: Identifikation und Markierung:
Der erste und wichtigste Schritt ist die frühzeitige Erkennung eines compliance-relevanten Mandats. Moderne Kanzleisoftware ermöglicht es, bei der Anlage eines neuen Aktes eine zwingende Markierung zu setzen, beispielsweise durch ein Auswahlfeld "Geldwäschegeneigtes Geschäft?". Dies löst den nachfolgenden Prozess automatisch aus und stellt sicher, dass kein Fall durch das Raster fällt.
Zweitens: Datenerfassung durch digitale Formulare:
Statt Papierfragebögen zu versenden, ist der Einsatz von Webformularen oder ausfüllbaren PDFs die deutlich effizientere Methode. Der Mandant kann die erforderlichen Daten direkt am Computer eingeben, notwendige Ausweiskopien uploaden und unterfertigen. Sie erhalten alle Daten und Dokumente per Mail und können diese einfach im elektronischen Akt im Ordner Compliance speichern.
Vorteil von Webformularen: Diese können intelligent gestaltet werden. Gibt der Mandant an, als Treuhänder für eine andere Person zu handeln, können automatisch zusätzliche Felder zur Erfassung des wirtschaftlichen Eigentümers aufklappen. Die Daten werden strukturiert erfasst und können direkt weiterverarbeitet werden.

Vorteil von ausfüllbaren PDFs: Sie sind einfach zu handhaben und können vom Mandanten digital unterzeichnet werden.
Drittens: Evidenzhaltung und Verifizierung:
Der Prozess endet nicht mit dem Versand des Formulars. Ein effizientes System muss den Rücklauf der unterfertigten Dokumente (KYC-Formular, Ausweiskopien etc.) überwachen. Dies kann durch eine einfache Statusverwaltung in der Kanzleisoftware geschehen ("KYC versandt", "KYC-Unterlagen erhalten & geprüft"). So ist jederzeit ersichtlich, bei welchen Mandaten noch Handlungsbedarf besteht. Die eingeholten Informationen können zudem mit Sanktionslisten oder Datenbanken für politisch exponierte Personen (PEP) abgeglichen werden.
Viertens: Dokumentation und Abschluss:
Nachdem alle Informationen vorliegen und geprüft wurden, erfolgt die finale, mandatsbezogene Risikobewertung durch den Anwalt. Auch hierfür eignen sich digitale Checklisten, die auf den Vorgaben der Kammer basieren. Diese ausgefüllte Checkliste wird gemeinsam mit den erhaltenen Dokumenten im digitalen Akt gespeichert. Der Akt selbst wird in der Kanzleisoftware als "Compliance-geprüft" markiert. Damit ist der gesamte Prozess für interne Zwecke und externe Prüfungen lückenlos dokumentiert.
Fazit: Compliance als Zeichen von Professionalität
Die Digitalisierung und Automatisierung der Compliance-Prozesse ist kein Selbstzweck. Sie reduziert den administrativen Aufwand, minimiert das Risiko folgenschwerer Fehler und schafft Rechtssicherheit für die Kanzlei. Anwältinnen und Anwälte werden von zeitraubenden Routineaufgaben entlastet und können sich auf ihre juristische Expertise konzentrieren. Ein sauber organisierter Compliance-Prozess ist heute mehr als nur die Erfüllung einer lästigen Pflicht – er ist ein Qualitätsmerkmal und ein Zeichen für eine modern und professionell geführte Kanzlei.

Wir haben ein kurzes Video vorbereitet, welches Ihnen den Einsatz von Webformularen für Complianceabklärungen veranschaulicht (einfach QR-Code scannen). Gerne unterstützen wir Sie bei der Etablierung eines effizienten Prozesses für Compliance in Ihrer Kanzlei und freuen uns auf Ihre Nachrichten an markus.weiss@kanzleiconsult.at.